Die meisten Paare denken zunächst, dass das Kinderkriegen ein leichtes Spiel sei. Ganz nach dem Motto: «Wenn sich eine Schwangerschaft so leicht verhüten lässt, muss es auch leicht sein, ein Kind zu bekommen.
Sex an den fruchtbaren Tagen haben und schon bin ich schwanger». Klappt es dann aber nicht so einfach, wächst die Unsicherheit von Zyklus zu Zyklus. Der Kreislauf aus immer wiederkehrender Hoffnung und darauffolgender Enttäuschung bedeutet eine extreme Belastung für die Beziehung sowie die Psyche der Betroffenen.
Jeder reagiert anders!
Die Reaktion auf einen unerfüllten Kinderwunsch ist von Mensch zu Mensch verschieden. Die einen fühlen sich unbrauchbar, zweifeln an ihrer Weiblichkeit oder Männlichkeit, ihr Selbstbewusstsein sinkt oder sie ziexhen sich zurück. Sie meiden soziale Kontakte, besonders zu Schwangeren oder Müttern und versinken in Frustration und Trauer. Andere wiederum gehen offen mit dem Problem um, tauschen sich aus und suchen nach Lösungen. So manche Partnerschaft kommt in dieser Phase an die Grenzen, in anderen Beziehungen werden die Partner durch diese Erfahrung zusammengeschweisst. Und noch immer ist das Thema Sterilität, Probleme der Fertilität in den meisten Ländern und Kulturen ein Tabu.
Die meisten Paare reden nicht darüber und machen das Problem unter sich aus. Zu gross ist der Schmerz und das Leid zwischen dem ewigen Hoffen und Bangen. Die körperlichen und seelischen Narben sitzen tief und dadurch fällt es schwer, sich mit dem Problem, Familie und Freunden gegenüber, zu öffnen. Die Angst, dass durch die Gespräche noch nachgebohrt wird und damit bereits verheilte Wunden wieder neu aufgerissen werden könnten, bewegt sie dadurch, sich noch besser zu schützen. Am schlimmsten sind die wohlgemeinten Ratschläge, wie:
«Vielleicht solltest du…, Stress ist nicht gut, oder du bist wahrscheinlich nicht fürs Mutter-Sein gemacht.
Meine langjährige Erfahrung als Kinderwunschpsychologin und Therapeutin hat gezeigt, dass es dir besser geht, wenn du dich durch Gespräche vom Druck rund um den noch unerfüllten Kinderwunsch, befreist.
Achte darauf, dass du die Gespräche vorerst zu den nächsten Angehörigen führst. Wenn du mit deinem Partner die Gespräche so führst, dass du die Situation des Ist-Zustandes, die entsprechende emotionalen Herausforderungen erwähnst und aufzeigst, dass ihr in euren persönlichen Möglichkeiten den Weg geht, wird das Umfeld erfahrungsgemäss grosses Verständnis aufbringen. Meistens braucht es danach keine ausführlicheren Erklärungen, weshalb man nicht am Anlass teilnehmen oder wieso man gewisse Situationen oder Personen noch meiden möchte. Das Umfeld versteht die aktuellen Herausforderungen nun besser und begegnet dir mit Respekt und Empathie für deine Umstände.
In den meisten Fällen ist es auch eine Entlastung, wenn du es deinem nächsten Vorgesetzten, Arbeitgeber und weiteren sozialen Umfeld erzählst. Es reichen auch oft die einfachen Worte: «Ich bin in einem Kinderwunschprozess und habe aktuell einige Herausforderungen zu nehmen. Ich bin dir oder Ihnen dankbar, wenn meine persönliche und emotionale Befindlichkeit deshalb auch besser verstanden werden kann».
Eine Patientin berichtete mir:
«Ich bin so froh, dass ich es endlich geschafft habe, meinem Chef die Wahrheit zu sagen, dass ich seit drei Monaten in assistierter Reproduktionsbehandlung bin, Hormone einnehme und bereits frühmorgens zum Arzt springe, um die Spritze zu kriegen. Es war für mich jedes Mal ein Gedankencirculus, wieder eine Entschuldigung zu finden, dass ich erst später zur Arbeit kommen kann oder gar den Morgen ausfallen müsse.
Endlich habe ich mich zum Outing überwunden und es ihm anvertraut. Erstaunlicherweise hatte mein Chef geahnt, dass es sich um einen unerfüllten Kinderwunsch handle – ist er doch selbst mit seiner Frau betroffen gewesen. Ich kann nur empfehlen, dass dieses Tabuthema möglichst bald enttabuisiert wird, Frauen und Männer sich öffnen, für sich uns sein Bedürfnis einzustehen und ihr Recht auf entsprechende Unterstützung allumfänglich noch mehr einfordern ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben».